Wer sie genauer kennt, weiß: Die "Fränkische" ist nicht nur lieblich. In ihren tausend Höhlen haust so manches Schattenwesen, auf ihren Feldern flackern feurige Reiter und so mancher Fels kann es nicht lassen, dem Wanderer etwas zuzuraunen …
Viele Geschichten gehen dort um. Schon seit Jahrhunderten wandern sie von Generation zu Generation – und jeder Ort hat seine eigenen, ganz besonderen.
Oft lässt sich nicht mehr sagen, was Wahrheit ist und was hinzugedichtet wurde. Doch jede Geschichte verrät uns etwas über den Charakter des Ortes und seiner Bewohner.
Zwölf fränkische Autoren haben in diese Gegend hineingelauscht und über 30 Geschichten ausgegraben. Die Erzählweise ist modern. Der Schauer zeitlos. Die farbigen Illustrationen von Kurt Neubauer machen das Buch zu einen Kunstwerk. Die Hintergrundinformationen des Historikers Hartmut Heisig schlagen die Brücke zur Geschichte der Region. Ein Buch für die langen Abende bei Kerzenlicht. Ein Buch zum Vorlesen und Selbergruseln. Und ein Buch für alle, die den Geheimnissen der Fränkischen Schweiz auf die Spur kommen möchten.
Sagen aus der Fränkischen Schweiz
W. Tümmels Verlag, Nürnberg,
20 x 27 cm, 144 Seiten,
mit vielen farbigen Illustrationen,
gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag; 24,80 Euro
ISBN 978-3-940594-17-4 www.tuemmel.de
Kurt Neubauer (Hrsg.)
Autoren: Gerd Berghofer,
Peter Braun, Veit Bronnenmeyer, Helmut Haberkamm,
Hartmut Heisig, Armin Jöger, Fitzgerald Kusz,
Petra Nacke, Karl Neumeyer,
Klaus Schamberger,
Reinhold Schmitt,
Günter Stössel, Elmar Tannert
Bekannte Sagen-Geschichten in neuem Gewand
"Das Wütige Heer am Walberla" erfindet Legenden der
Fränkischen Schweiz neu
FRÄNKISCHE SCHWEIZ – Ein Bilderbuch, ein Schmökerbuch, ein Geschichtenbuch, ein Märchenbuch, ein Schauerbuch, ein Sagenbuch, ein Geschenkbuch: Der Grafiker Kurt Neubauer hat ein Buch mit Sagen aus der Fränkischen Schweiz herausgegeben, das es bisher nicht gab. "Das Wütige Heer am Walberla" hat bekannte Geschichten in ein neues, prächtig passendes Gewand gekleidet.
Kurt Neubauer ist Illustrator, Künstler und betreibt seit Jahren ein Grafikbüro in Nürnberg. Aufgewachsen und zur Schule gegangen ist der 42-jährige aber in Forchheim, (...) Die intime Kenntnis von Landschaft und Leuten merkt man seinem Buch an, verbunden mit großer Professionalität der Illustrationen und der Texte. Regional bekannte Autoren haben die altbekannten Sagen nacherzählt. Damit ist das "Wütige Heer" der Folgeband der 2007 ebenfalls im W. Tümmels Verlag erschienenen "Stadtgeheimnisse" über Nürnberger Sagen, herausgegeben von Kurt Neubauer.
Der Fluch der Witwe Die Fränkische Schweiz sei die Landschaft, "wo sich das Liebliche mit dem Schaurigen verbindet", hat Hans von Aufseß festgestellt. Schaurig ist es, wenn Elmar Tannert die Sage vom "Juden im Krämersloch" nacherzählt. Schließlich ist er Krimi-Autor. Der Fluch auf den jüdischen Viehhändler, der der Witwe die letzte Kuh nimmt und dafür in einer Höhle bei Breitenlesau jämmerlich endet, ist nicht nur eine bekannte Sage der Fränkischen.
Sie wirft zugleich ein Licht auf den verbreiteten Antisemitismus, unter dem die früher zahlreichen fränkischen Landjuden litten. Der Historiker Hartmut Heisig ("Geschichte für alle") ordnet die Sagen in dem neuen Buch ein und erklärt auch die vom Krämersloch.
Noch schauriger, weil keine Sage, sondern wahre Begebenheit: "Die getöteten Schweden in Hetzles", erzählt von Helmut Haberkamm. Dass sich gepeinigte Bauern an der marodierenden Soldateska mit Dreschflegel und Mistgabel blutig rächten, das war im Dreißigjährigen Krieg in fränkischen Dörfern der Alltag. Wie an vielen Orten zeugt bei Hetzles noch heute eine Martersäule von der Gräueltat an den Soldaten.
Dem Stil treu geblieben Günter Stössel, Veit Bronnenmeyer, Gerd Berghofer, Fitzgerald Kusz und auch ein Klaus Schamberger bleiben bei ihren Nacherzählungen ihrem Stil treu. (...) Und Haberkamm lässt in Simplicissimus-Perspektive einen jungen Mann die Plünderung seines Heimatdorfes Hetzles von der Krone eines Baumes aus beobachten.
Zwölf Autoren erzählen 34 Sagen, als würden sie zum ersten Mal berichtet. Das ist das eine. Das andere sind die Illustrationen von Kurt Neubauer, der wieder als Herausgeber des Bandes fungiert. Ein bisschen Comic, ein wenig Kinderbuch und viel Freude an der grafischen Seite der Kunst: Der unheimliche rote Ritter von Freienfels und das wütige Heer am Walberla springen dem Leser förmlich aus dem Buch entgegen. Selbst die Innenseite des Schutzumschlags hält eine grafische †berraschung bereit. Ein Buch, das manch biedere Sagensammlungen blass aussehen lässt.
Nürnberger Nachrichten, Georg Körfgen, 19.12.2009
Das Wütige Heer am Walberla. Sagen aus der Fränkischen Schweiz.
Abgesehen – nein, absehen kann man von den farblich höchst geschmackvoll abgestimmten, geschickt vereinfachenden Illustrationen nicht. Dieses Buch empfiehlt sich allein durch die Aufmachung schon als Geschenk, auch nach Weihnachten. Doch die Liste der Bearbeiter von Sagen und Ersteller lyrischer und historischer Beiträge ist derart gut bestückt und die Beiträge aller Art runden sich derart glücklich, daß ich wohl einmal alle an dem Band Beteiligten zusammen sehen möchte. Das wäre eine Runde, die sich vor Dichterkränzlein aus verschiedenen Epochen des Blumenordens nicht zu verstecken bräuchte.
Fitzgerald Kusz eröffnet den Reigen mit verschmitzten Verszeilen, führt auf S. 28 den Ton fort in der von ihm oft angewandten Weise, €ußerungen aus der Wohnküchenperspektive scharf zu beobachten und dann komisch zu überhöhen, und bringt auf S. 92 ff. ein längeres reimloses Gedicht im Volkston zustande, das er ein Mini-Epos nennt. Elmar Tannert steuert fünf Geschichten bei, die so behutsam redigiert sind, daß man sie in ähnlicher Sprache schon bei Franz Bauer gelesen zu haben meint – er muß schon ein feines Ohr haben, daß er zeitlos klingen kann, ohne veraltet oder bemüht historisierend zu wirken. Klaus Schamberger dagegen ist spezialisiert auf respektlose Anachronismen, die umdeutend und entlarvend wirken. Seine zwei Beiträge stellen insofern innerhalb des Buches die Ausnahmen dar und wirken dadurch erfrischend. Denn alles übrige ist ernsthaft der Sagenüberlieferung verpflichtet. Günter Stössel geht die Sache offenbar so an, daß er sich von der sprachlichen Vorlage reizen läßt und versucht, wie Tannert einen gediegenen Sagenerzählerton mit gewissen altertümlichen Zügen anzuschlagen, aber bei seinem zweiten Beitrag geht er dialogisch zu Werke und kontrastiert die Erzählung mit mundartlichen Einwürfen in SchambergerÕschem Geiste, sodaß sich die Moral von der Geschicht gleichsam durch unsanftes Hinsetzen ergibt; die dritte von ihm bearbeitete Sage freilich hat diesen Effekt an sich schon, und er muß gar nicht mehr viel dazutun. Petra Nacke schafft enorme Spannung, indem sie sich in die Personen ihrer Erzählung ohne Distanz hineinversetzt, wie es Sagen- und Märchenerzähler eigentlich nicht tun. Die von ihr gewählten Geschichten haben aber auch etwas besonders Beklemmendes. Karl Neumeyer wagt das Experiment, nach dem alten Sagenrezept "übermütiger Mensch erhält von der Geisterwelt einen gewaltigen Dämpfer" eine moderne Sage zu erfinden, was nicht übel gelingt und auf jeden Fall kurzweilig zu lesen ist. Reinhold Schmitt kann Humoristisches und Tragisches, Frommes und Sozialkritisches in Balladenform, Mundart und hochdeutscher Prosa gleichermaßen zur Wirkung bringen. Helmut Haberkamm läßt in der Ich-Form eine lokale Variante der Amfortas-Sage und eine böse Begebenheit aus dem Dreißigjährigen Krieg derart eindringlich lebendig werden, daß man ihm junge Zuhörer wünscht, die dann ihr Lebtag diese Geschichten nicht vergessen. Armin Jäger nimmt sich zuerst eine der Sagen vor, die landschaftliche Besonderheiten in mythologischer Weise deuten wollen, und hebt daran leidvolle Schicksale aus der frühmittelalterlichen Zeit der Ungarneinfälle hervor; sein zweiter Beitrag ist ein Kurzkrimi, in den unverhofft die Magie einbricht, mit verstörender Schlußwirkung. Veit Bronnenmeyer scheint eine Sage reinweg neu erfunden zu haben, die aber alle Züge einer herkömmlichen aufweist. Sein Interesse an historischen Hintergründen führt in zwei weiteren zu einer Annäherung an den Horizont des heutigen Lesers, ohne die Unerklärlichkeit der Vorkommnisse zu beschädigen. Peter Braun schreibt stark dialogische MiniDramen (analog zu dem MiniEpos von Kusz), in denen sich um die ahnungslose Hauptperson die Schlinge grausam zuzieht. Seine Themen sind Hexenverfolgung und todbringendes Verirren im Wald. Gerd Berghofer geht den umgekehrten Weg wie Armin Jäger: er stattet nämlich historisch belegbare Ereignisse mit sagenhaften Zügen aus, bzw. befaßt sich mit überlieferten Sagen, die eben dies tun. Auch er trifft den Sagenton ganz unangestrengt. Hartmut Heisig hat zu einigen der Texte, nicht zu allen, historische Kommentare geliefert, die erweisen, daß Sagen im Unterschied zu Märchen und Mythen einen historischen Kern haben.
Und ich als Leser war zwar schon freundlich voreingenommen, weil meine Vorfahren in Sichtweite zum Walberla als Bauern gelebt und gelitten haben, finde aber das Buch ohnedies und bei ganz nüchterner Betrachtung wohlgelungen.